Blindenführhund Anni - nicht nur Hund sondern auch Partner im Straßenverkehr

Anni ist eine siebenjährige reinrassige Schäferhund-Hündin und gibt wie auch ihre Geschwister seit März 2009 sehbehinderten Menschen mehr Sicherheit im Leben. Holger Haase, Physiotherapeut aus Chemnitz und Halter von Anni, spricht mit uns über seine Blindenführhündin und gibt uns einen kleinen Einblick in die Arbeit von Anni.

Holger, wie hat sich Dein Leben mit Anni verändert?
Durch Anni ist mein Leben auf jeden Fall sicherer und flexibler geworden. Ich bin sehbehindert und Anni hilft mir oft, mein fehlendes Augenlicht zu kompensieren.

Hattest Du bereits vor Anni Hundeerfahrung und wie kam es dazu, dass Du dich für einen Blindenführhund entschieden hast?
Also Anni ist ja schon mein dritter Blindenführhund. Mir waren meine vorherigen Hunde immer eine sehr große Hilfe gewesen, mit denen ich bestimmte Alltagssituationen als sehbehinderter Mensch viel besser meistern konnte. Daher bin ich dankbar dafür, dass ich 2009 erneut die Möglichkeit erhielt, mein Leben mit einem Hund zu teilen.

Konntest Du dir Anni aussuchen und worin bestanden Deine anfänglichen Schwierigkeiten im Umgang mit Anni?
Ja ich konnte einen Rassewunsch äußern und konnte mir Anni auch aussuchen. Anni war damals ein sogenannter  Vorführhund der auszubildenden Hundeschule und sie schien mir als optimale zukünftige "Partnerin". Schwierigkeiten bestanden daher eigentlich nur in der ersten Zeit, als wir noch nicht so eine feste Bindung zu einander hatten. Anni war noch sehr auf ihren Trainer fixiert und hat es natürlich anfangs gar nicht verstanden, warum sie jetzt zu einem neuen Menschen soll.

An wen hast du dich gewandt, um die Unterstützung eines Blindenführhundes zu erhalten?
Zuerst musste ich mir von einem Augenarzt per Rezept bescheinigen lassen, dass ich auf tierische Hilfe im Form eines Blindenführhundes angewiesen bin. Dann erfolgte seitens der Krankenkasse eine Vorkontrolle. Vom Antrag im Sommer 2008 dauerte es einige Monate, bis ich im März 2009 dann Anni als Blindenführhund bewilligt bekam.

Wie lange dauerte Anni’s Ausbildung zum Blindenführhund?
Die Ausbildung von Anni dauerte 9-12 Monate. Die genaue Dauer ist sicherlich auch abhängig von der gewählten Hundeschule.

Was muss Anni bzw. ein Blindenführhund denn alles können? In welchen konkreten Alltagssituationen hilft sie dir besonders?
Anni trägt auf jeden Fall wahnsinnig viel „tierische Verantwortung". In erster Linie führen natürlich Blindenführhunde ihre Halter.  D. h. Anni führt mich im Alltag konkret um Hindernisse herum. Stehen wir jedoch vor einem unüberwindbaren Hindernis, dann bleibt sie stehen und auf das Kommando „Such Weg“ sucht sie selbst nach einem Weg um das Hindernis herum. Sie vermeidet auch, mich durch Pfützen zu navigieren. Sie kann zudem beim Laufen rechts und links unterscheiden und beim Kommando „Such Bord“ bleibt sie an der Bordsteinkante stehen, damit wir die Strasse überqueren können. Ebenso wird ein Blindenführhund dazu ausgebildet, an Ein- und Ausfahrten stehen zu bleiben. Was aber kein Blindenführhund entscheiden kann ist, wann der Verkehr günstig ist, damit man die Strasse überqueren kann. Das liegt einzig und allein im Ermessen des Blinden.
Für die Sicherheit ist es daher besser, immer festgelegte einheitliche Wege zu gehen. Anni und ich sind jedoch ein eingespieltes Team, so dass ich auch ab und zu mal andere Wege einschlage, damit es für Anni nicht zu eintönig wird.

Wie lief denn die erste Zeit mit Dir und Anni?
Die erste Zeit war besonders spannend und erfahrungsreich. Anni musste sich ja erst an mich gewöhnen und wir beide mussten auch erst mal an unserer Bindung arbeiten. Wir erhielten eine vierwöchige Eingewöhnungsphase, in der der Trainer 2-3 mal die Woche mit Anni zu mir kam und wir gemeinsam Alltagssituationen „durchspielten“. Danach gab es eine Gespannprüfung, in der entschieden wurde, ob wir beide bereit sind, ab sofort unseren Alltag zusammen zu meistern.

Erhält Anni Fortbildungs- und Auffrischungskurse?
Sofern Bedarf besteht, kann ich das beantragen. Aber eine kontinuierliche Auffrischung des Trainings nach einem bestimmten Zeitraum ist grundsätzlich nicht vorgesehen.

Verhält sich Anni zu Nicht-Blinden anders?
Anni verhält sich zu mir auf jeden Fall anders als zu Nicht-Blinden. Sie ist bemüht, mir nicht im Weg zu liegen, wenn ich laufe. Sie geht mit mir auch vorsichtiger um. Sie ist stark auf mich bezogen. Ob Anni jedoch merkt, ob ein anderer Mensch auch blind ist, kann ich allerdings nicht beantworten.

Darf Anni bis an ihr Lebensende bei dir bleiben?
Meine Anni hat bis zu ihrem letzten Tag bei mir einen sicheren und liebevollen Platz. Allerdings kann ich mir schon vorstellen, sie ab einem bestimmten Alter in ebenfalls tierliebe Hände zu geben, damit Anni die letzten Jahre auch einfach mal Hund sein kann. Sie „arbeitete“ ja täglich mehrere Jahre für mich und so soll sie einfach in ihrem Leben auch mal die Möglichkeit haben, nur Hund und kein Blindenführhund mehr zu sein. Sie soll einfach spielen, toben und ruhen können, ohne ständig das Gefühl haben zu  müssen, mir zu helfen. Dieses unbeschwerte Leben fernab von Arbeit werde ich ihr jedoch nicht bieten können. Daher wäre das Suchen nach einem neuen Zuhause für ihre letzten Lebensjahre schon eine Option für mich und auch eine Möglichkeit, mich bei Anni für ihre Hilfe zu bedanken.

Das ist eine sehr tierfreundliche Einstellung Holger, die wahrscheinlich nicht viele Blindenführhunde-Halter teilen. Was passiert denn grundsätzlich mit Blindenführhunden, wenn sie älter werden?
Die Krankenkasse zahlt erst mal bis zum Lebensende des Blindenführhundes ca. 150 EUR pro Monat an Pflegegeld und übernimmt Kosten für anstehende Operationen. Sofern der Patient das also wünscht, kann der Blindenführhund auch bis zu seinem Lebensende bei ihm bleiben. Oft sind Blindenführhunde bis zum Alter von 8-10 Jahren im Einsatz und werden dann ausgemustert, d.h. man sucht dann ein liebevolles neues Zuhause für den Hund.

Man mag sich das kaum vorstellen können, aber nicht jeder Blinde mit einem Hund schätzt auch die Arbeit seines tierischen Freundes. Oder wie sind Deine Erfahrungen Holger?
Leider habe ich es auch schon mehr als einmal erlebt, dass der Blindenführhund von seinem Halter getreten oder geschlagen wurde. Das Problem liegt auch ganz einfach daran, dass es keine regelmäßigen und selbstständigen Kontrollen durch die Krankenkassen gibt, ob es dem Hund auch wirklich nach der Vermittlung gut geht.

Und am Ende dieses interessanten Interviews ist noch Platz für eine Liebeserklärung. Was liebst Du demnach besonders an Anni?
Anni ist eine sehr intelligente und lernfreudige Hündin. Ich liebe vor allem ihre Treue und Sensibilität. Vor allem wenn wir gemeinsam Urlaub am Strand verbringen und Anni auch leinenlos laufen darf, achtet sie stets auf mich und entfernt sich auch nicht sehr weit von mir. Ich glaube, das besondere an uns beiden ist unsere intensive Bindung und unser Vertrauen zueinander.


Vielen Dank für das Interview Holger!

Blindenführhunde sind bei der "Arbeit", wenn sie ihren Halter auf der Strasse begleiten. Sie sind hochkonzentriert und tragen ein großes Maß an Verantwortung. Wie Sie sich am besten im Umgang mit einem Blindenführhund verhalten, lesen Sie Tipps im Umgang mit Blindenführhundenhier.

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